3 JUNI | 20:00 UHR

 

Dieses Buch war zweifellos eine Sensation – nicht nur, weil Witkowski einen „Schwulenroman“ verfasste, sondern weil er das Thema so mutig anpackte. Die polnische Schwulenszene der 70er Jahre, die schräge Parallelwelt mit ihren alternden Tunten, jungen Knaben und verzweifelten Rotarmisten wurde von Witkowski schonungslos und mit rückhaltloser Offenheit beschrieben. 

Am Badestrand Lubiewo an der polnischen Ostseeküste (seit den siebziger Jahren ein Schwulentreff) haben Patrycja und Lukrecja, zwei „Tunten“, ihre schönsten Sommer verbracht. Seit dem Untergang der „Kommune“, wie die kommunistische Zeit in Polen genannt wird, ist der Strand von emanzipierten, sportlichen Gays und solariumsgebräunten, tätowierten Lederschwulen bevölkert, die nichts mehr wissen vom Herumstreunen auf der Straße, vom Dreck, von der Anonymität und demütigenden Unterwerfung. Von einem Begehren, das Kraft gab, zu leben und zu träumen.

Lukrecja und Patrycja stehen auf luje, auf „Kerle“, maskuline Heteros, die es auf möglichst raffinierte Weise zu verführen gilt: „Einer mit Abitur ist kein richtiger Kerl.“ Sie wollen weder Partnerschaft noch soziale Anerkennung. Heute gehen sie sonntags zur Kirche, wie alle Frauen ihres Alters. Lubiewo, der „Große Atlas der polnischen Tunten“, setzt ihnen ein Denkmal. 

„Lubiewo”. Aus dem Polnischen von Christina Marie Hauptmeier, ehemalige Leiterin des Krakauer Hauses. Verlag: Suhrkamp. 

Foto: Jutta Missbach