Die Skulptur des schlafenden Nashorns von Dorota Hadrian, einer Künstlerin aus Kraków, entstand 2016 anlässlich des 20-jährigen Jubiläums des Krakauer Hauses in Nürnberg und des Nürnberger Hauses in Kraków. Kuratiert von Kasia Prusik-Lutz, wurde die Skulptur zunächst auf dem Hans-Sachs-Platz und später vor der Oper präsentiert, bevor sie ihren endgültigen Platz am Egidienplatz fand.

Das Werk erinnert an Albrecht Dürers berühmten Kupferstich Rhinocerus und greift damit eine historische Verbindung zwischen Nürnberg und dem Nashorn als Symbol des Exotischen auf. Doch im Gegensatz zu Dürers kraftvoller Darstellung zeigt Hadrian ein ruhendes Nashorn – erschöpft, friedlich und verletzlich. Seine dicke Haut steht symbolisch für Schutz und Widerstandsfähigkeit, während die ruhende Haltung auf eine tiefere Verletzlichkeit hinweist.

Die Skulptur thematisiert das Fremde und Unbekannte, das plötzlich in eine vertraute Umgebung tritt. Sie lädt Betrachter:innen ein, über kulturelle Begegnungen, Identität und die Grenzen zwischen Fremdheit und Vertrautheit nachzudenken. Das Nashorn wird so zum Sinnbild für die Verbindung zwischen Kraków und Nürnberg – ein Reisender, der nach langer Wanderung in einer neuen Heimat zur Ruhe kommt.

Die Platzierung der Skulptur im öffentlichen Raum macht sie zu einem lebendigen Symbol dieser Partnerschaft. Sie schafft eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Kunst und Alltag, und bereichert die städtische Landschaft um einen poetischen Ort der Reflexion.

Ein Leben ohne Nashorn ist zwar denkbar, aber ungefährlich.
Ein Nashorn im öffentlichen Raum. Ein zahmes Nashorn offenbar, eines, das auf einen Kosenamen – vielleicht Rhino Rihanna? – hört und gerne kuschelt. Alles normal. Noch hat kein chinesischer Apotheker aus seinen Hörnern Potenzmittelchen gemixt, noch schlummert es liebreizend und träumt einen Traum aus Epoxyharz. Man möchte sich geradewegs dazulegen und in seine Achselhöhlen kuscheln. Bloß wehe! Wenn der schlafende Riese erwacht, wenn sich der sanfte Berg in einen gereizten Berserker verkehrt – ein schlecht gelaunter Hofhund ist dagegen wohl nicht mehr als eine erboste Motte. Ob Dürer sich einst bei einer Gelegenheit, die heute in Vergessenheit geraten ist, ein Nashorn als Haustier zugelegt hatte? Dann wäre seine berühmte Zeichnung am Ende ein Suchbild, das an Ampeln und Laternenmasten klebte, als das Tier einmal entwischt war … hoffentlich hat man es wieder gefunden!
/Theobald Fuchs/

 

Die Skulptur des Nashorns, dessen Entstehung durch eine Grafik von Albrecht Dürer inspiriert wurde, verbindet diese historischen und kulturellen Symbole mit einer zeitgenössischen Reflexion. In der osteuropäischen Kultur steht das Nashorn für Empfindsamkeit, Weisheit, geistigen Idealismus, Furchtlosigkeit und Durchsetzungsvermögen. Man glaubte, dass diese Tiere in der Lage seien, den Weg zu verborgenen Quellen zu finden, und ihr Horn wurde als mächtiges Mittel gegen Gifte geschätzt. Diese Eigenschaften machten es nicht nur zu einem Symbol der Heilkunst, sondern auch zu einem Zeichen für Apotheken.

St. Hildegard von Bingen schrieb dem Nashorn besondere Kräfte zu: Sie glaubte, es könne Krankheiten heilen, da es sich einmal im Jahr im Paradies ernähre. Diese symbolische Verbindung von Reinheit und Heilung lässt das Nashorn zu einem Hoffnungsträger werden – nicht nur in der Medizin, sondern auch in einem spirituellen Sinn.

In einer Zeit, in der viele unserer grundlegenden Werte hinterfragt werden, wirft das schlafende Nashorn Fragen nach Heilung und Veränderung in der Gesellschaft auf. Vielleicht trägt sein Erwachen dazu bei, gesellschaftliche „Krankheiten“ zu lindern oder uns zu inspirieren, aktiv zu handeln, um eine bessere Welt zu gestalten.

 

 

Dorota Hadrian, geboren 1984, ist eine polnische Bildhauerin und Szenografin. Sie studierte Bildhauerei und Grafik an der Akademie der Bildenden Künste in Krakau (2004–2010) und erwarb 2021 ihren Doktortitel an der Fakultät für Kunst der Pädagogischen Universität Krakau. Hadrian erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Jan-Matejko-Stipendium im Jahr 2008 sowie Förderungen des Ministeriums für Kultur und Nationales Erbe in den Jahren 2010 und 2014. Im Jahr 2019 wurde sie mit dem MUZA-Preis des Bürgermeisters von Bytom für ihren Beitrag zur Kunstszene geehrt.

Ihre künstlerische Arbeit beschäftigt sich mit der Neuinterpretation klassischer europäischer Kunst aus einer zeitgenössischen Perspektive. Dabei nutzt sie ikonografische Verweise und kulturelle Anspielungen, um Stereotypen in Kultur und Popkultur zu dekonstruieren. Ihr Werk umfasst diverse Medien wie Skulptur, Video und Malerei und beleuchtet die Vielschichtigkeit gesellschaftlicher Normen sowie deren visuelle Repräsentation.

Derzeit lebt und arbeitet Hadrian in Bytom und ist als Dozentin an der Pädagogischen Universität Krakau tätig. Unter anderem war sie Teil des Projekts „BAZA“ im Zentrum für zeitgenössische Kunst Kronika in Bytom, das sich mit kollaborativen künstlerischen Ansätzen auseinandersetzt.