Aus der Presse: 
Nürnberger Nachrichten 19. September 2002 

STEFFEN RADLMAIER:
Welt im Umbruch 
Der polnische Kultautor Andrzej Stasiuk liest in Nürnberg Andrzej Stasiuk gilt zurzeit als einer der wichtigsten Schriftsteller Polens.Am Sonntag, 22. September, 20 Uhr, kommt Stasiuk zu einer Lesung ins Krakauer Haus nach Nürnberg (Hintere Insel Schütt 43). Begleitet wird er von seinem Übersetzer Olaf Kühl. Außerdem ist eine Ausstellung des Krakauer Grafikers Kamil Targosz mit Illustrationen zu Stasiuks Büchern zu sehen (bis 23.Oktober). 
Literatur ist für ihn „ein Privatvergnügen zwischen mir und dem Rest der Welt“: Andrzej Stasiuk schreibt, weil er schreiben muss. Der Autor mit dem abenteuerlichen Lebenslauf, 1960 geboren und in Warschau aufgewachsen, ist für die jüngere Generation in Polen längst eine Kultfigur. Ihn umgibt die Aura eines Rebellen und die Attitüde eines Rockstars. Doch der gesellschaftliche Aussteiger von einst hat es inzwischen zum literarischen Aufsteiger gebracht. Rockmusik und Rebellion gegen die herrschenden Verhältnisse prägten Stasiuks Jugend. Er verweigerte 1980, als das Kriegsrecht in Polen verhängt wurde, den Kriegsdienst und landete im Gefängnis. Nach seiner Entlassung wurde er als Held des Widerstands gefeiert. 

Doch er war weder Pazifist noch Dissident – er hatte einfach keine Lust. In seinem Buch „Wie ich Schriftsteller wurde“, einer Mischung aus Autobiografie und Bildungsroman setzte sich Andrzej Stasiuk mit jener Zeit auseinander. 
Einen ordentlichen Schulabschluss hat er nie geschafft, geschweige denn ein Studium. Stattdessen hat er das Leben studiert: Er schlug sich als Holzfäller und Fabrikarbeiter durch, veranstaltete mit Kumpanen Sauforgien und begann Tagebuch zu schreiben. Später zog er sich mit seiner Frau in ein abgelegenes Bergdorf zurück und verlegte seine Bücher selbst.

An der Legende vom unangepassten Außenseiter hat Stasiuk auch in seinen Büchern weitergestrickt, für sein Image war das nur gut. Mittlerweile ist das Naturtalent mit Literaturpreisen ausgezeichnet worden, und zurzeit versucht der Suhrkamp Verlag mit beträchtlichem Aufwand, den Autor auch in Deutschland einem größeren Publikum schmackhaft zu machen. Dieses Jahr sind gleich zwei von Stasiuks Büchern auf Deutsch erschienen: Nach dem Roman „Neun“ folgen nun seine „Galizischen Geschichten“. 
Der politische Umbruch in Polen, die Öffnung der Grenzen, der Übergang vom Kommunismus zum Kapitalismus – dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch die Bücher von Stasiuk. Er beschreibt die Auswirkungen der großen Umwälzungen auf die kleinen Leute, er schreibt von Bauern, Handwerkern, Waldarbeitern, Traktorfahrern, Geschäftemachern, die irgendwie über die Runden kommen wollen. Er schildert gottverlassene Dörfer und Gegenden, die als literarische Schauplätze vor ihm noch keiner entdeckt hat, und er erzählt mit viel Liebe zum Detail von der Monotonie des Alltags, wunderlichen Zeitgenossen und den Schönheiten der Natur.
Stasiuk geht mit offenen Augen durch die Welt, denn „für einen Schriftsteller ist es immer besser, aus dem Fenster zu schauen als Bücher zu lesen oder sich mit anderen Schriftstellern zu unterhalten“.