Foto: Kristina Jalowa
Foto: A.Kaminska, K.Prusik-Lutz
INSELKUNST 2020
BARTOSZ KOKOSIŃSKI UND PHILIPP EYRICH
Ausstellungszeitraum:
11. Juli – 15. September 2020
Im öffentlichen Raum:
BARTOSZ KOKOSIŃSKI: an der Fassade des Krakauer Hauses, Hintere Insel Schütt 34
PHILIPP EYRICH: auf dem Andrej-Sacharow-Platz
Kuratiert von: Kasia Prusik-Lutz
Wie alle anderen Kultureinrichtungen musste auch das Krakauer Haus unfreiwillig pausieren. Um so größer ist die Freude, den Start der alljährlichen „Inselkunst“ verkünden zu können, die auch 2020 wieder im öffentlichen Raum der Stadt Nürnberg stattfinden wird.
Im Rahmen der Inselkunst begegnen sich in diesem Jahr die jungen, hochtalentierten Künstler Bartosz Kokosiński, Absolvent der Krakauer Kunstakademie, und Philipp Eyrich, der an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studierte. Da coronabedingt auf eine Vernissage verzichtet werden muss, wird es zur Eröffnung eine besondere Möglichkeit geben, den Künstlern über die Schulter zu schauen: In einem kurzen Video, das vorab durch das Krakauer Haus online veröffentlicht wird, kann man die beiden in ihren Ateliers besuchen und Einblicke in ihre Arbeit erhalten. Mit der gegenwärtigen Unmöglichkeit zu reisen, bringt uns Kokosiński außerdem neue – eigene – Landschaften nach Nürnberg, die (zumindest in der gegenwärtigen Situation) Urlaubsreisen ersetzen können.
Beide Künstler eint ihre intensive Beschäftigung mit der Materie, sie reagieren auf die Signale, die ihnen die Objekte, mit denen sie arbeiten, geben. Ungeplante Änderungen, Fehler, Verschiebungen, Reibungen und Zufälle werden von beiden als vollwertiges Element ihres Schaffensprozesses angesehen. Die Beschäftigung mit der Natur und dem Aufeinandertreffen von Mensch, Kultur und der Brutalität neuer Materialien sind Themen beider Künstler. Zugleich gibt es jedoch auch Unterschiede: Bartosz Kokosińskis Werk kreist um das Gemälde als solches, um die Leinwand und den Ausbruch des Inhaltes. Philipp Eyrich indes beschäftigt sich mit dem sozialen Diskurs und bindet Kunst in die Diskussion um den Kampf von Kultur mit Natur ein.
Während Bartosz Kokosiński die Fassade des Krakauer Hauses als Leinwand, aus der es auszubrechen gilt, nutzen wird, schafft Philipp Eyrich auf dem Andrej-Sacharow-Platz einen Lebensraum für Bäume und Pflanzen inmitten der brutalen Wirklichkeit schwerer Beton-Objekte.
Foto: Adam Gut
Bartosz Kokosiński
geb. 1984, absolvierte die Krakauer Kunstakademie und lebt und arbeitete seitdem in Warschau. Seit 10 Jahren gehört er zu den vielbeachteten zeitgenössischen Künstlern Polens. Sein Name ist in den beiden wichtigsten Künstler-Rankinglisten Polens, im Kompass der polnischen Kunst und im Kompass der jungen polnischen Kunst, zu finden
Der Künstler beschäftigt sich mit Malerei, seine Arbeiten sprengen buchstäblich den Rahmen, fressen sich aus ihm heraus: Zu seinen bekanntesten Werken gehört seine „Serie der die Wirklichkeit fressenden Bilder“ (seria obrazów pożerających rzeczywistość). Gleichzeitig kämpft die materielle Beschaffenheit der Werke mit deren Inhalt, wie im Zyklus „Krankheiten der Malerei“ (seria choroby malarstwa). Kokosiński stellt sich grundlegenden Fragen der Malerei und der Darstellung – was ein Bild ist, aus was es besteht und was sein Inhalt ist. Er bedient sich einer Reihe klassischer Sujets, etwa des Stillebens, der Landschaft oder des menschlichen Körpers und spielt mit ihnen. Seine Arbeiten brechen aus der klassischen Leinwand aus und werden zu plastischen Objekten. Fehler, Störungen, Reibungen – das sind Begriffe, die Bartosz Kokosiński in jeder seiner Arbeiten tangiert. Die Akzeptanz und Integration des Fehlers als Element des Werkes ist dabei oftmals zentral.
In Nürnberg wird Bartosz Kokosiński mit der Fassade des Krakauer Hauses kämpfen: Das weiße Häuschen, an den Krakauer Turm gefügt, sticht architektonisch aus dem mittelalterlichen Ensemble aus Turm und Mauer heraus. Diese Oberfläche bildet für Kokosiński eine neue Herausforderung in seiner Auseinandersetzung mit dem Begriff „Bild“. Wir können das Gebäude aus der Perspektive der Straße oder aus seinem Inneren betrachten.
Und diese beiden Perspektiven sind der Ausgangspunkt für die Arbeit von Bartosz Kokosiński, die sich um „Landschaft“ dreht. Wir haben eine in die Landschaft eingeschriebene Wand, an der ein Bild einer anderen Landschaft hängt. Wir haben auch ein Loch in der Wand, das einfach ein Fenster ist – eine Art Rahmen für die Landschaft dahinter. Die Perspektive, die Welt durch das Prisma eines Fensters zu sehen, ist uns in der gegenwärtigen Pandemiesituation sehr vertraut.
Bartosz Kokosiński macht auf die Vielzahl der Perspektiven und die Möglichkeit/Notwendigkeit aufmerksam, die Wirklichkeit von ihren verschiedenen Seiten zu betrachten.
Foto: Philipp Eyrich
Philipp Eyrich
Der junge Künstler Philipp Eyrich, geb. 1988, ist Absolvent der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und hat ein Atelier auf AEG. Sein Beitrag zur Inselkunst wird sich zum Blauen Reiter auf den Andrej-Sacharow-Platz gesellen.
Philipp Eyrichs „Urbaner Reichswald“ verbindet Romantik und Brutalismus. Roher Beton wird einen kleinen Wald, ein Stück Natur beherbergen.
Die Skulpturen bringen auf den ersten Blick dem Betrachter die Natur näher und eröffnen die Fragen nach einem besseren Umgang mit unserer Natur, unserer Lunge, der Welt, dem Wald. In martialisch rustikal aus Beton gegossenen Vitrinen entstehen auch Verbindungen und Fragen zum Brutalismus oder dem neueren Begriff Neobrutalismus.
Assoziationen zu Bunkeranlagen oder Rohbauten unserer Städte werden deutlich.
Der Künstler sagt, ihm geht es um eine durch und durch menschlich veränderte Umwelt, die er hier neu zusammensetzt und somit neue Blickwinkel schafft.
Denn es ist ein Kommen und Gehen. Immer wieder wird etwas erschaffen und dann wird es zur Normalität, um dann wieder verändert zu werden oder wieder zurück zu gehen in den Ursprung. Oder was ist der Ursprung des Jetzt und inwieweit wurde das, was wir sehen und als natürlich empfinden denn schon verändert, und der jeweiligen Zeit zu Nutze gemacht?
Wie erfahren wir, was echt ist oder nur in unserem jetzigen Empfinden existiert? Was ist wichtig und was ist nostalgisch? Wie lange dauert es bis etwas schätzenswert ist? Oder warum wird es das? Es ist ein Spiel mit unseren Interessen und Einflüssen im Hier und Jetzt. Der Natur, dem Leben der Welt und dem Bedachten. Philipp Eyrich lädt dazu ein, sich mit der Komplexität der Begriffe auseinanderzusetzen und schafft dafür einen Raum mitten in Nürnberg, in dem die Natur und die Brutalität des menschlichen Tuns aufeinandertreffen.
Kuratorin/Plakatgestaltung/ Text: Kasia Prusik-Lutz
Text: Katharina Uziel
Foto: Kristina Jalowa